In der Grundstücksmauer des Hauses Bischofswerdaer Straße 294 in Oberottendorf befindet sich dieser eingemauerte Stein. Auf dem behauenen Sandstein befindet sich eine aufgebrachte Krone. Noch bis in die 1970er Jahre soll sich auch die Jahreszahl 1866 an diesem Stein befunden haben. Ob diese Jahreszahl mit Farbe aufgebracht oder in einem Stein eingeschlagen war, ist mir nicht bekannt. Jedenfalls war im Jahr 2006 diese Zahl nicht mehr vorhanden. Es ist möglich, dass diese bei Ausbesserungsarbeiten an der Mauer mit entfernt wurde. 2013 wurde durch Oberottendorfer Heimatfreunde eine Sandsteinplatte mit dem aufgedruckten Schriftzug „Zur Erinnerung an den Straßenneubau 1866“ an dem alten Sandsteinblock unterhalb der Krone angebracht. Die Farbe ist heute leider sehr verblasst und nur noch schlecht zu lesen. Die angebrachte Krone und der Sandstein erinnern mich sehr an die Reste eines Kursächsischen Meilensteins. Vielleicht wurde dieser aus irgendeinem Grund in der Vergangenheit zerstört und die Reste als „Denkmal“ für den Straßenbau in der Mauer eingebaut.
Doch nun etwas zum geschichtlichen Hintergrund des Straßenbaus. Bis in das Jahr 1866 verlief der Hauptteil des Verkehrs von Neustadt in Richtung Oberottendorf, Bischofswerda und Bautzen nicht durch die Dörfer Berthelsdorf und Niederottendorf. Er führte von Neustadt über den sogenannten Himmlerweg an den beiden Ortschaften vorbei und traf im Bereich des ehemaligen Erbgerichtes in Oberottendorf auf die Dorfstraße. Nach etwa 600 Metern verließ die auch „Alte Bischofswerdaer Straße“ genannte Wegstrecke den Ort wieder in Nordostrichtung und lief östlich des Galgenberges zu den Vogelhäusern. Dort zweigte die Straße einerseits in Richtung Bautzen über die Ortschaft Putzkau und anderseits in Richtung Bischofswerda über Niederputzkau ab. In Oberottendorf wurde für die Benutzung dieser Straße ein Wegezoll erhoben. Bereits um 1800 wurde die Straße in „Chausseemäßigen Stand“ gesetzt. Trotzdem wurde im Jahre 1848 der Zustand als „wahrhaft verwahrlost“ bezeichnet, sie hatte „grundlose Löcher“ und auf der Ottendorfer Höhe eine „lebensgefährliche Stelle“. Die auf dieser Strecke fahrende Postkutsche wurde daher auch als „Marterinstrument menschlicher Gebeine“ bezeichnet. Der Rat der Stadt Neustadt wandte sich mit mehreren Eingaben an das königliche Finanzministerium wegen des Baues einer neuen Straße. Diese hatten doch irgendwann Erfolg und so begann im Jahre 1864 der lang ersehnte Straßenneubau. Zwei Jahre brauchte man für die Strecke von Neustadt über Berthelsdorf bis nach Nieder- und Oberottendorf. Und genau an das Jahr 1866, das Jahr der Vollendung des Straßenbaus in Oberottendorf, soll dieser Stein erinnern. Der weitere Streckenverlauf über das Wirtshaus Grüne Tanne wurde später auch ausgebaut. Nachdem im Jahre 1877 die Bahnstrecken von Neustadt nach Dürrröhrsdorf und Neukirch eröffnet wurden, ging auch die Zeit der Postkutschen zu Ende. Die Dorfstraße blieb natürlich bis in unsere Zeit erhalten, jedoch existiert der alte Himmlerweg in seinem alten Verlauf heute nicht mehr durchgängig.